Freitag, 19. Februar 2016

Georg Simmel: Die Mode



(NACHTRAG)


Laut Simmel entwickelt sich die Mode aus einem Spannungsverhältnis von Nachahmung und Absonderung heraus: das Individuum möchte einerseits mit der sozialen Gruppe verschmelzen, was ihm die Sicherheit gibt, in seinem Handeln nicht allein zu stehen, und sich andererseits individuell herausheben. Sie vereint diese beiden Tendenzen, indem sie etwas Allgemeines, ein gegebenes Muster, zum Maßstab macht, und gleichzeitig das Unterschiedsbedürfnis befriedigt durch einen Wechsel der Inhalte.
Deutlich wird das außerdem daran, dass Moden immer Klassenmoden sind, d.h. die Moden der höheren Schichten unterscheiden sich von denen der tieferen. Die Mode ermöglicht so den Anschluss an die Gleichgestellten und eint diese, und schließt sie gleichzeitig gegen die Tieferstehenden ab. Sobald letztere die Mode der höher gestellten Stände nachahmen, weil sie nach oben streben, überschreiten sie damit eine Grenze und die Höherstehenden wenden sich einer neuen Mode zu, um sich erneut abzugrenzen.
Dass sich für die Gestaltung der Mode in vielen Fällen keinerlei sachliche, ästhetische oder sonstige Zweckmäßigkeit feststellen lässt,  sieht Simmel als Beweis dafür, dass die Mode ein bloßes Erzeugnis sozialer bzw. formal psychologischer Bedürfnisse ist. Ihre Zufälligkeit und Abstraktheit zeige ihre völlige Gleichgültigkeit gegen die sachlichen Normen des Lebens und gerade dieses Merkmal lasse sie überhaupt erst als Mode wirken.







Literatur:
Georg Simmel, „Die Mode“, in: Ders., Philosophische Kultur. Über das Abenteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essais(zuerst 1923), Berlin 1983, S. 26-51.

Freitag, 5. Februar 2016

Siegmund Freud: Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse



Psychoanalyse: beschäftigt sich mit der Aufklärung und der Beseitigung sog. nervöser Störungen; Grundlage: Annahmen über das menschliche Triebleben der Seele


Libidotheorie:
Unterscheidung zwischen Selbsterhaltungs- bzw. Ich-Trieben und Sexualtrieben („Libido“= sexuelles Verlangen)

- Neurosen: spezifische Erkrankungen der Sexualfunktion (Quantität der Libido und Möglichkeit, sie zu befriedigen und durch Befriedigung abzuführen, entscheidend)
- zu Beginn der individuellen Entwicklung ist alle Libido an die eigene Person geknüpft, erst später fließt sie auf äußere Objekte über (-> Fortschritt vom Narzissmus zur Objektliebe), ein Teil bleibt jedoch immer beim Ich; Objektlibido kann sich wieder in Ich-Libido umsetzen (Beweglichkeit wesentlich für Gesundheit einer Person)
- Narzissmus (=Eigenliebe) der Menschheit hat 3 schwere Kränkungen erfahren: kosmologisch, biologisch und psychologisch


Psychologische Kränkung:


- Mensch fühlt sich souverän in seiner eigenen Seele (-> Aufsichtsorgan überwacht Regungen und Handlungen, die bei Bedarf gehemmt und zurückgezogen werden)
- Bewusstsein informiert das Ich über alle wichtigen Vorgänge in der Seele

- bei Neurosen: das Ich fühlt sich unbehaglich, stößt auf Grenzen seiner Macht im Seelenleben, auf Gedanken, von denen es nicht weiß, woher sie kommen, und kann sie nicht abwehrenUrsache: ein Teil des eigenen Seelenlebens (Sexualtriebe) hat sich der Kenntnis des Ichs und seinem Willen entzogen, um sich Unterdrückung zu entziehen -> Ersatzbefriedigung
- Ich hält „seelisch“ für „bewusst“ (vertraut darauf, dass alles Wichtige gemeldet wird, was nicht gemeldet wird hält es für nicht existent), aber:  
Seelisches
Bewusstes, Nachrichten an Bewusstsein immer unvollständig und oft unzuverlässig, in manchen Fällen – z.B. Triebkonflikt – gar keine


-> Triebleben der Sexualität ist nicht voll zu bändigen;
seelische Vorgänge an sich sind unbewusst und nur durch eine unvollständige und unzuverlässige Wahrnehmung dem Ich zugänglich und ihm unterworfen

-> Ich ist nicht Herr in seinem eigenen Haus






Literatur:
Freud, Siegmund: "Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse“. In: Anna Freud (Hg.): Sigm. Freud. Gesammelte Werke. S. Fischer Verlag,  Frankfurt 1947, S. 3-12.

Samstag, 30. Januar 2016

Pierre Bourdieu: Kulturelles Kapital



Bourdieu erläutert in seinem Text den Kapitalbegriff.
Kapital sei als akkumulierte Arbeit – in Form von Material oder in verinnerlichter, inkorporierter Form – und  stelle ein grundlegendes Prinzip der inneren Regelmäßigkeiten der sozialen Welt dar.
Es kann auf verschiedene Arten auftreten: ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital und soziales Kapital.

Das kulturelle Kapital unterteilt er wiederum in 3 Formen:

INKORPORIERT
OBJEKTIVIERT
INSTITUTIONALISIERT

= Dauerhafte Dispositionen des Organismus

           - Bildungskapital: setzt einen Verinnerlichungsprozess voraus; kostet Zeit, die vom Investor persönlich investiert werden muss
           - Besitztum, das zu einem festen Bestandteil der Person geworden ist; kann nicht durch Kauf, Schenkung o.ä. kurzfristig weitergegeben werden, nur langfristig und im Verborgenen durch soziale Vererbung
           - Nutzung/Ausbeutung für Eigner ökonomischen oder sozialen Kapitals problematisch
      - Kann sich völlig unbewusst vollziehen; bleibt immer von den Umständen seiner ersten Aneignung geprägt
      -Basis für materielle und symbolische Profite

= Kulturelle Güter, Bilder, Bücher, Lexika, Instrumente oder Maschinen, in denen bestimmte Theorien und deren Kritiken, Problematiken usw. Spuren hinterlassen oder sich verwirklicht haben

      - Autonomes und kohärentes Ganzes, das seinen eigenen Gesetzen gehorcht, die dem individuellen Willen entzogen sind
      - Produkt historischen Handelns
      - Kann als materiell und symbolisch aktives und handelndes Kapital nur fortbestehen, wenn es von Handelnden angeeignet und in Auseinandersetzungen (in Kunst, Wissenschaft usw.) als Waffe und Einsatz verwendet wird

= Objektivation, die gesondert behandelt werden muss, da sie dem kulturellen Kapital, das sie garantieren soll, einmalige Eigenschaften verleiht

      - Objektivierung von inkorporiertem Kulturkapital in Form von schulischen/akademischen Titeln
      - Zeugnis für eine kulturelle Kompetenz, das seinem Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt
      - Geltung relativ unabhängig von der Person seines Trägers und von dem kulturellen Kapital, das dieser tatsächlich zu einem gegebenen Zeitpunkt besitzt




Literatur:
Bourdieu, Pierre: „Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital“, in: ders., Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg: VSA-Verlag 2005, S. 49-79.