Samstag, 30. Januar 2016

Pierre Bourdieu: Kulturelles Kapital



Bourdieu erläutert in seinem Text den Kapitalbegriff.
Kapital sei als akkumulierte Arbeit – in Form von Material oder in verinnerlichter, inkorporierter Form – und  stelle ein grundlegendes Prinzip der inneren Regelmäßigkeiten der sozialen Welt dar.
Es kann auf verschiedene Arten auftreten: ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital und soziales Kapital.

Das kulturelle Kapital unterteilt er wiederum in 3 Formen:

INKORPORIERT
OBJEKTIVIERT
INSTITUTIONALISIERT

= Dauerhafte Dispositionen des Organismus

           - Bildungskapital: setzt einen Verinnerlichungsprozess voraus; kostet Zeit, die vom Investor persönlich investiert werden muss
           - Besitztum, das zu einem festen Bestandteil der Person geworden ist; kann nicht durch Kauf, Schenkung o.ä. kurzfristig weitergegeben werden, nur langfristig und im Verborgenen durch soziale Vererbung
           - Nutzung/Ausbeutung für Eigner ökonomischen oder sozialen Kapitals problematisch
      - Kann sich völlig unbewusst vollziehen; bleibt immer von den Umständen seiner ersten Aneignung geprägt
      -Basis für materielle und symbolische Profite

= Kulturelle Güter, Bilder, Bücher, Lexika, Instrumente oder Maschinen, in denen bestimmte Theorien und deren Kritiken, Problematiken usw. Spuren hinterlassen oder sich verwirklicht haben

      - Autonomes und kohärentes Ganzes, das seinen eigenen Gesetzen gehorcht, die dem individuellen Willen entzogen sind
      - Produkt historischen Handelns
      - Kann als materiell und symbolisch aktives und handelndes Kapital nur fortbestehen, wenn es von Handelnden angeeignet und in Auseinandersetzungen (in Kunst, Wissenschaft usw.) als Waffe und Einsatz verwendet wird

= Objektivation, die gesondert behandelt werden muss, da sie dem kulturellen Kapital, das sie garantieren soll, einmalige Eigenschaften verleiht

      - Objektivierung von inkorporiertem Kulturkapital in Form von schulischen/akademischen Titeln
      - Zeugnis für eine kulturelle Kompetenz, das seinem Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt
      - Geltung relativ unabhängig von der Person seines Trägers und von dem kulturellen Kapital, das dieser tatsächlich zu einem gegebenen Zeitpunkt besitzt




Literatur:
Bourdieu, Pierre: „Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital“, in: ders., Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg: VSA-Verlag 2005, S. 49-79.

Freitag, 22. Januar 2016

George Mead: Das ICH und das Ich



In dem Kapitel „Die Beiträge des ‚ICH‘ und des ‚Ich‘“ aus George Herbert Meads „Geist, Identität und Gesellschaft“ definiert der Autor diese beiden Begriffe als verschiedene Bestandteile der Identität eines Menschen.



Merkmale des „ICH“

  • Mitglied in einer gesellschaftlichen Gruppe
  • reagiert auf die organisierten Haltungen der anderen, die wir als gegeben ansehen und die in der Folge unser eigenes Verhalten bestimmen
    -> Konventionen, gesellschaftliche Kontrolle (Werte der Gesellschaft = Werte des ICH)
  • gibt dem „Ich“ die Form / bestimmt den Ausdruck des „Ich“ /zensiert das „Ich“
  • kann allerdings auch durch die Situation bestimmt werden -> weniger Kontrolle (z.B. bei gewalttätigem Ausdruck zur Selbstbehauptung)


Merkmale des „Ich“

  • Impulsives, unkontrolliertes Verhalten und spontanes Handeln
  • Innovation
  • Forderung nach Unkonventionellem (-> z.B. Ausdruck in der modernen Kunst)
  • Kann das „ICH“ dominieren, wenn durch Druck Grenzen überschritten werden (z.B. bei gewalttätigem Ausdruck zur Selbstbehauptung)

 
Diese beiden Phasen der Identität stehen sich also gegenüber und können in ihrem wechselseitigen Verhältnis Spannung erzeugen. Ein Existieren der Identität wäre allerdings ohne die jeweils andere nicht möglich.
Im Normalfall funktionieren sie gemeinsam und sorgen für einen Ausgleich: der Einzelne findet sich in einer Situation, die von einem konventionell geprägten Rahmen bestimmt wird; durch das „ICH“ hält es zwar diese Grenzen ein, durch das „Ich“ fügt es aber individuelle Handlungen ein, was seine eigene Identität in der Gesellschaft bestimmt und dieser Ausdruck verleiht. Das ist dann möglich, wenn ein Mensch in einer Situation selbstständig handeln kann, wenn er Verantwortung übernehmen und Dinge auf seine persönliche Weise verwirklichen kann, wenn er also mehr als nur „ICH“ sein kann. Besonders befriedigt ist man dabei, wenn das „ICH“ den impulsiven Ausdruck des „Ich“ sogar unterstützt statt begrenzt.
 Zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft, in der er lebt, besteht so immer eine wechselseitige Beziehung, da die beiden Entitäten sich gegenseitig prägen – ein Individuum passt sich an seine Umwelt an, beeinflusst durch seine Veränderung aber gleichzeitig die Welt, in der er lebt (entweder positiv, z.B. durch Führerpersönlichkeiten wie große Künstler oder religiöse Führer, die eine Gemeinschaft in hohem Maß bereichern und erweitern können, oder negativ, z.B. bei einem gewaltvollen Mob, wenn die Reaktion des „Ich“ den gesellschaftlichen Zustand verschlechtert). 






Literatur:
Mead, George Herbert: "Die Beiträge des "ICH" und des "Ich""; "Die gesellschaftliche Kreativität der Identität". In: Charles W. Morris (Hg.): Geist, Identität und Gesellschaft. Aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Frankfurt 1968. S. 253-266).