Samstag, 7. November 2015

Geertz: Dichte Beschreibung




Clifford Geertz beschäftigt sich in „Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme“ mit dem Kulturbegriff und entwickelt anhand dessen das theoretische Konzept der dichten Beschreibung, das zum Verständnis einer Kultur dienen soll.


Dazu erläutert er zunächst das Problem der Einschränkung des Kulturbegriffs, da in der Wissenschaft bei dem Versuch, Kultur möglichst präzise zu beschreiben, ein begriffliches Durcheinander entstanden ist. Das verdeutlicht Geertz, indem er einige Definitionen aus Clyde Kluckhohns „Mirror for Man“ zitiert – ganze 11 verschiedene Beschreibungen kommen dabei zusammen. Aus meiner Sicht scheinen die auch alle ganz passend zu sein, zumindest bezeichnen sie wichtige Eigenschaften, die mir bei dem Wort „Kultur“ in den Sinn kommen, allerdings wird mir dabei auch klar, warum Geertz fordert: man muss eine Wahl treffen.


Geertz hat sich für einen semiotischen Kulturbegriff entschieden, d.h. bei der wissenschaftlichen Untersuchung einer Kultur soll es vor allem um Bedeutung gehen. Er sieht den Menschen in ein selbstgesponnenes Bedeutungsgewebe (= Kultur) verstrickt. Nun gilt es, die Zeichen innerhalb dieses Gewebes zu interpretieren und so gesellschaftliche Ausdrucksformen zu deuten. Und das soll mittels des Konzepts der dichten Beschreibung geschehen.


Was das bedeutet, erklärt Geertz anhand zweier Beispiele, wobei ich das zweite sehr schwer zu verstehen fand und daher hier nur auf das erste eingehe: das Zwinkern. Diese Geste kann erst mal einfach nur ein Zucken des Augenlids sein, andererseits aber auch geheimes Zeichen an einen Kommunikationspartner, oder gar eine Parodie einer solchen Geste. Diese verschiedenen Bedeutungsebenen werden nicht durch eine bloße Beschreibung des visuell wahrnehmbaren Vorgangs sichtbar, sondern erst durch eine dichtere Beschreibung offenbart, die Faktoren wie den gesellschaftlichen Code, der das Zucken zum Zwinkern macht, mit einbezieht.


Wichtig zu erwähnen ist, dass die Daten für die Beschreibung von Informanten – nämlich Mitgliedern der zu beschreibenden Kultur – stammen und daher immer schon eine Auslegung, also subjektive Interpretation, eines Sachverhaltes darstellen.
Das Herstellen eines Kontaktes zu diesen Informanten, das Sammeln der Daten und ähnliche praktische Arbeiten sind Bestandteile der Ethnographie.


Geertz geht in seinem Text nun noch weiter darauf ein, was Kultur und deren Beschreibung bedeutet. Ein paar Aussagen, die mir dabei wichtig geworden sind und neue Erkenntnisse gebracht haben, sind abschließend:

  • obwohl Kultur aus Ideen besteht, existiert sie nicht in den Köpfen
  • Kultur ist öffentlich, weil Bedeutung etwas öffentliches ist
  • um eine Kultur zu erfassen und zu verstehen, reicht es nicht aus, ihre Regeln zu beschreiben
  • Kultur ist keine Instanz, sondern ein Kontext, in dem sie als ineinandergreifende Systeme auslegbarer Zeichen dicht beschreibbar ist
  • das Verstehen einer Kultur umfasst sowohl ihre Normalität, als auch ihre Besonderheit und macht sie erreichbar




Literatur:
Clifford Geertz: „Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie der Kultur“ in: ders.: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1995, 4. Auflage, S. 7 - 43.

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